VERBAND REGION RHEIN-NECKAR
Christoph Trinemeier ist seit dem 1.10.2007 Leitender Direktor des Verbandes Region Rhein-Neckar. Der Diplom-Ingenieur lebt mit seiner Familie in Landau. Nach seinem Studium der Raum- und Umweltplanung an der TU Kaiserslautern arbeitete er zunächst als Stadtplaner im Planungsbüro Bachtler, Störtz und Partner und wechselte dann über ein Referendariat beim Land Baden- Württemberg in den Staatsdienst. Vor seiner Ernennung als Leitender Direktor des Verbandes Region Rhein-Neckar arbeitete er 16 Jahre als Baudirektor im Regierungspräsidium Land Baden-Württemberg.
- Wofür steht die Region Rhein-Neckar?
Die Struktur der Region Rhein-Neckar als eine der elf Metropolenregionen in Deutschland unterscheidet sich von der Struktur anderer Regionen. Die Region ist eine der Jüngeren, eine der Kleineren und aber auch eine der Erfolgreichen. Erfolgreich im Sinne von Konstituierung , Zusammenarbeit und Zielorientierung.
Erfolgreich im Sinne von Konstituierung , Zusammenarbeit und Zielorientierung.
Die ursprüngliche Kurpfalz als zusammenhängender, historischer Kulturraum wurde durch die Alliierten mit dem Rhein als Grenze unterschiedlichen Ländern zugeordnet. Mit dem Nukleus Mannheim-Ludwigshafen ist die Region insofern relativ früh nach dem 2. Weltkrieg sozusagen zwangsläufig in eine Kooperationsstrategie eingestiegen. Das war eine der Grundvoraussetzung für den Prozess, der letztendlich in die Anerkennung als Metropolregion und die Gründung des Verbandes Region Rhein-Neckar mündete. Es bestand eine grundsätzliche Bereitschaft in drei Bundesländern (Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) Zusammenarbeit zu unterstützen, dabei teilweise Kompetenzen aufzugeben und Abstimmungen zu ermöglichen,die sonst ländergrenzenüberschreitend so nicht stattfindet. Dies führte letztendlich zu einem Staatsvertrag zwischen den drei Bundesländern, einmalig in Deutschland, der es erlaubt einen gemeinsamen Regionalplan aufzustellen über Bundesländergrenzen hinweg. Die Anerkennung als Metropolregion wurde parallel s mit der politisch verwaltungstechnischen Fragestellung der einheitlichen Planung und des dafür notwendigen Staatsvertrags vorangetrieben. Diese Zweigleisigkeit ist für die Entwicklung unserer Region entscheidend. Ergebnis ist, dass das Mandatsgebiet des Verbandes der Region RN als Körperschaft des öffentlichen Rechts deckungsgleich mit der Metropolregion RN ist.. Auch das ist einmalig in Deutschland. Damit ist ein reibungsloser Wechsel zwischen der politischen Ebene des Verbandes Region Rhein-Neckarund der operativen Ebene der Metropolregion Rhein-Neckar möglich, je nach Erfordernis der diskutierten Themen.
- Was sind die wichtigen laufenden Projekte und Prozesse?
Wir haben im Herbst 2013 den neuen Einheitlichen regionalplan Rhein-Neckar fertiggestellt. (Anmerkung: seit 15.12 2014 rechtskräftig). . Die klassischen Themen wie Siedlungsstruktur, Raumstruktur und die sinnvolle Verteilung von Gewerbe- und Wohngebieten sind der Kern des Regionalplans. Infrastruktur als wichtiges Thema konnte nur eingeschränkt behandelt werden, da hier die Kompetenzen auf Länderebene liegen, beziehungsweise durch z.B. den Bundesverkehrswegeplan klare Vorgaben gemacht werden. Der zweite große Themenbereich ist der Freiraumschutz, also überregionale Grünzüge, Schutzbereiche für Forst- und Landwirtschaft, wie auch der Hochwasserschutz. Damit ist der Einheitliche Regionalplan in seiner Struktur inhaltlich keine ’Neuerfindung’. Er lotet vielmehr die Grenzen der kommunalverfassten Regionalplanung aus, die all zu häufig gezwungen ist, den kleinsten gemeinsamen Nenner als tragfähigen Kompromiss zu suchen.
- Gibt es nach der Aufstellung des Regionalplans schon erste Ideen für die weitere Agenda? Was sind mittel- und langfristig die großen Themen und Aufgaben hier in der Region?
Wir haben kürzlich ein Strategiepapier entwickelt, das die mittelfristigen Themen erfasst und vier Schwerpunkte formuliert: Verkehr/Mobilität, Demographie, Energie und regionale Identität.
Erstens: Der Frage der Mobilität ist eng mit den demographischen Entwicklungen verknüpft. Wir versuchen ein Konzept zu entwickeln, das im Sinne eines Mobilitätsverbundes deutlich über das Thema des „klassischen“ Nahverkehrs hinausgeht. Hieran arbeiten wir gemeinsam mit dem Nahverkehrsträger VRN (Verkehrsverbund Rhein-Neckar), dessen Gebiet jedoch weit über die Grenzen der Region hinaus geht. Wir brauchen nicht nur die Vertaktung und Vernetzung an der Haltestelle, sondern müssen zum Beispiel auch ein gemeinsames und einheitliches Konzept für Car-Sharing und E-Mobility entwickeln und regional integrieren. Hierbei gilt es viele Einzelaspekte eines sehr weit gefassten Mobilitätsbegriffes zu einem vielschichtigen Konzept miteinander zu kombinieren.
Zweitens: Innerhalb des Themas der demographischen Entwicklung gibt es z. B. bei der Anwerbung von Fach- und Führungskräfte verschiedene Initiativen auf unterschiedlichen Ebenen. Es besteht z.B. ein Netzwerk ‚Dual Career’, das Kooperationen vorantreibt zur Karriereunterstützung der Partner der angeworbenen Fachkräfte. Eine andere Initiative wirbt in Spanien gezielt um ausgebildete Fachkräfte für die Region. Selbstverständlich hat das Thema „demographischer Wandel“ auch vielfältige Auswirkungen und Verknüpfungen mit den klassischen Themen der Regionalplanung.
Drittens: Ein weiteres großes Thema ist die Energiewende und die CO²-einsparung. . In diesem Bereich haben wir ein regionales Energiekonzept entwickelt mit Verbrauchs- und Potentialanalysen und einem davon abgeleiteten umfangreichen MaßnahmenKatalog.Wichtiger Bestandteil ist ein Konzept für Windkraftstandorte , das wie andernorts auch kontovers diskutiert wird. Als weiteres wesentliches Thema für die Zukunft wird die Frage der dezentralen Netze (smart grids) behandelt. Hierzu ist auf der Plattform der Region (Metropolregion Rhein-Neckar GmbH) ein Cluster mit Wirtschaftsunternehmen entstanden. Obwohl der entsprechende Förderantrag unter dem Titel ’StoREgio’ leider nicht zum Erfolg geführt hat, wurde das Cluster fortgeführt und es arbeiten nun trotzdem verschiedene Firmen zusammen. Die Komplementarität des Know-how führt zu besseren Lösungen und zur Innovation und technologischen Entwicklung.
Die Komplementarität des Know-how führt zu besseren Lösungen und zur Innovation und technologischen Entwicklung.
Viertens: Die Frage nach der regionalen Identität liegt z.B. dem Masterplan Regionalpark Rhein-Neckar zu Grunde unter dem Titel ’Landschaft in Bewegung’. Der Masterplan soll die Region nach innen zusammenführen und sichtbar machen, Identität schaffen und widerspiegeln, worin die Vorzüge dieser Region als Wohn- und Lebensraum liegen. Wir erschließen beispielsweise die Region für den Binnentourismus, aber auch für externe Gäste durch sog. „Regionalparkachsen“. Diese mit dem ÖPNV verknüpften Fahrradrouten bauen im Wesentlichen auf den Bestand auf, bilden aber ein Netzwerk um die Region als Ganzes wahrzunehmen.
- Sie haben eingangs den ´Metropolenstatus `beschrieben. Welche Bedeutung hat er bei der Gestaltung der vier Themen?
Wir treten insbesondere nach außen als “Metropolregion“ auf und werden entsprechend wahrgenommen. Dabei stehen nicht Einzelinteressen z.B. der großen DAX-Firmen im Fokus sondern Bedürfnisse und Interessen, die für die gesamte Metropolregion RN von Bedeutung sind. Als Metropolregion bekommen Sie keine Fördermittel aus Europa oder vom Bund. Der Metropolenstatus ist vielmehr ein Label oder Zertifikat, das einen bestimmten Raum identifiziert als einen Raum, der bestimmte Funktionen in bestimmter Form bündelt - Stichwort Gateway. Die Anerkennung als Metropolregion dient damit als Vehikel des Standortmarketings. Bezogen auf das Thema der Demographie bedeutet dies ganz konkret: Wir stehen in direkter Konkurrenz mit allen deutschen und auch europäischen Großstädten und Metropolen, unabhängig der jeweiligen Wirtschaftsstruktur. Es geht dabei branchenunabhängig um die besten Köpfe für die Region!
- Nach außen gerichtet eine starke Familie - Gibt es auch Konfliktthemen?
Das Thema Infrastruktur, z.B. der Bau neuer Straßen und Brücken oder die Diskussion um einen möglichen Regionalflughafen sind Beispiele. Dass es hier zu Konflikten kommt ist logisch. Aus Wirtschaftskreisen wird häufig die Bedeutung dieser Verkehrsinfrastruktur für den Standort Rhein-Neckar hervorgehoben,. Die Regionalpolitik und -planung, die immer mehrdimensional und integral sein muss, hat hier die Aufgabe abzuwägen und auszugleichen.
- Der Regionalplan ist im Konsens entstanden und in der Umsetzung direktiv – steuernd?
Wir nehmen auf der Ebene des Regionalplans eine Flächensteuerung vor als ordnende Richtschnur. Die hier festgelegten Ziele des Regionalplans sind für die Kommunalen Planungsträger bindend. Die Zielvorgaben stehen im Einzelfall allerdings auch unter politischem Druck. Am deutlichsten ist dies bei gewerblichen Erweiterungs- oder Umsiedlungswünschen innerhalb der Region, bei denen lokale Egoismen immer wieder eine dominante Rolle spielen. Die Frage der Flächenkonkurrenzen bei der Neuansiedlung großer international tätiger Firmen hat sich aber in diesem Zusammenhang bisher nicht gestellt.
Eine gesunde Konkurrenz zwischen den kommunalen Partnern innerhalb der Region bei Gewerbeansiedlungen ist allerdings sinnvoll und gewollt. Hier halten wir uns als Planungs-Verband zurück.
In der Region geht es vielmehr darum, die großen Standorte attraktiv zu halten und weiterzuentwickeln, auch vor dem Hintergrund der Attraktivität für Fach- und Führungskräfte. Eine gesunde Konkurrenz zwischen den kommunalen Partnern innerhalb der Region bei Gewerbeansiedlungen ist allerdings sinnvoll und gewollt. Hier halten wir uns als Planungs-Verband zurück.
- Bei der Gewerbe- und Standpolitik sind die eigenen Stärken Trumpf, manchmal braucht man jedoch starke Partner. Wie positioniert sich die Region Rhein-Necker im Verhältnis zu Nachbarregionen am Rhein? Sehen sie sich als Konkurrenten oder Partner?
Die Region Rhein-Neckar hat schon relativ lang eine formelle Kooperationsvereinbarung mit der Technologieregion Karlsruhe und dem Verband Mittlerer Oberrhein, also mit dem südlich angrenzenden Nachbarn, seit 2 Jahren auch mit der Planungsgemeinschaft Westpfalz und dem dort angesiedelten Verein für Wirtschaftförderung. Perspektivisch gilt es auf dem größeren Maßstab mit der Region FrankfurtRheinMain und mit der Region Stuttgart zusammen zu überlegen, wie aus einer Kooperation der komplementären wirtschaftlichen Strukturen der drei Metropolregionen Vorteile zu generieren sind. Betrachtet man die drei Regionen nämlich als einen Wirtschaftsraum, so kann dieser theoretisch auf dem Level von Greater London oder Paris in Europa agieren. Wie und ob sich ein solcher Schritt sinnvoll ist wird langfristig zu prüfen sein,, auch vor dem Hintergrund, dass damit die Grenzen des heutigen ‚daily urban system’ mit seinen funktionellen Zusammenhängen weit überschritten werden. [...]
Interview
Conducted by Helmut Thoele and Matthias Rottmann
26. March 2014 Mannheim
Full version of the interview can be downloaded below (PDF)