Dr. Reimar Molitor ist Geschäftsführender Vorstand des Region Köln/Bonn e.V.
Studiert hat er an der Westfälischen Wilhelm-Universität Münster, an der er seinen Abschluss als Diplomgeograph absolvierte. In der darauffolgenden Promotion wurde das Thema „nachhaltige Regionalentwicklung in Europa“ der Auftakt für diverse berufliche Stationen im Regionalmanagement und der Beratung von europäischen Regionen. Von 2000 bis 2003 bildete das Regionalmanagement der Regionale 2006 im Bergischen Städtedreieck den Einstieg in die Regionalentwicklung in Nordrhein-Westfalen.
Von 2004 bis 2012 betreute er geschäftsführend das Strukturprogramm Regionale 2010 in der Region Köln/Bonn.
Markus Utzerath ist leider 2016 vestorben. Er war Handlungsbevollmächtigter des Region Koln/Bonn e.V.
An der Universität Bonn hat der Geographie studiert. Nach zweijähriger freiberuflicher Tätigkeit als Stadtplaner war er von 1992-1999 zunächst Projektleiter bei der Wirtschaftsförderung Rhein-Erft GmbH und später Referent des Landrates Wirtschaft und Region des Erftkreises.
Seit 1999 arbeitete er an verschiedenen Stellen für die Region Köln/Bonn, bis 2004 im Regionalsekretariat und dann bis 2012 als Vertreter der Geschäftsführung der Regionale 2010 Agentur.
- Herr Molitor, Herr Utzerath, was ist Ziel und Zweck des Region Köln-Bonn e.V.?
Region KB: Ziel ist die regionale Kooperation innerhalb der Region Köln-Bonn. Der Verein ist mittlerweile im 23. Jahr seines Bestehens. Er hat 16 Mitarbeiter und einen Etat von durchschnittlich 1,5 Millionen Euro. Wir arbeiten sehr stark managementorientiert, kommunikationsorientiert, motivierend in Bezug auf Kooperation und dahinterliegend auch auf die Fragen nach realen Projekten. 16 Mitarbeiter, die hier in verschiedenen Disziplinen arbeiten, verstehen sich als Motivatoren und Koordinatoren für regionale Zukunft. Unsere Mitglieder sind die kreisfreien Städte und die Kreise, die Industrie- und Handelskammern Köln und Bonn/Rhein-Sieg, die Handwerkskammer zu Köln, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Landschaftsverband Rheinland, die Sparkassen der Wirtschaftsregion Köln/Bonn und –a ls Gast - die Bezirksregierung Köln.
Horizontal wie vertikal sind dies keine passiven Mitglieder sondern in jeder Hinsicht aktiv. Wir koordinieren die Kooperation zwischen unseren Mitgliedern, wobei den 58kreisangehörigen Kommunen eine Sonderrolle zukommt. Obwohl formal nur die Kreise Mitglied sein können, nutzen diese den Verein als Berater, Sprungbrett und Mittler.
Wir finanzieren uns durch Mitgliedsbeiträge, haben eine Mitgliederversammlung und legen einen jährlichen Tätigkeitsbericht vor. Im Vergleich zu den anderen, stark formalisierten regionalen Einheiten an Rhein und Ruhr sind wir managementorientiert. Unser Institutionalisierungsgrad ist bewusst niedrig gehalten. Wir schieben viele Projekte und werden jährlich an konkreten Ergebnissen für unsere Mitglieder gemessen. Wir sind an dieser Stelle nicht nur bedarfsorientierter „Aufnehmer“ von Themen, Veredler, Realisierer und /oder Mithelfer, sondern in hohem Masse auch Initiator, Motivator und Scout.
- Was waren die wichtigsten Projekte der letzten 10 Jahre und welche Themen stehen aktuell auf der Agenda?
Region KB: Für eine Regionalentwicklung sind alle Projekte wichtig. Gerade auf unserem Maßstab kann es sein, dass die Summe vieler kleiner Projekte eine große Transformation mit sich bringt. Das zeigt sich z.B. beim Thema Innenentwicklung - eines unserer Kernthemen für die Zukunft. Wir versuchen mit dem Recycling von innenstadtrelevanten Arealen, egal, ob es eine Baulücke oder eine 100 Hektar große Betriebsfläche ist, einen Beitrag zur Entwicklung der Region zu leisten. Dabei geht es erst mal um Wahrnehmungsmanagement. Das ist auch eine Parallele zu Ihrem Maßstab des gesamten Flusslaufes. Mit Beyond Plan B erzeugen Sie ein bestimmtes Bild, was dann in einem iterativen Prozess erprobt wird. Dadurch erhält man verschiedene Perspektiven, die sich wieder in einem neuen Bild verdichten – und auf einmal ist das Bild eine Art Realität und handlungsleitend.
Es gibt ja kein festes Bild von Regionalentwicklung. Was wir machen ist in einem hohen Masse eine Wahrnehmungsmanagementkurve: Welche Bedarfe hat die Region?, Wie argumentieren sie diese Bedarfe?, Und wie wird daraus reales Projektvolumen vor Ort? Ein Beispiel: Die frühen Strategien der Regionale 2010 wurden auch so entwickelt. Zunächst wurden Bilder und eigene Befunde angeboten und getestet. Im zweiten Schritt folgten Bedarfs- und Chancen- sowie Defizitanalysen. Der Weg führte weiter über die Definition konkreter Projekte bis zur Realisierung in klaren Konsortien.
Dieser Prozess wird letztlich bei jedem übergeordneten Projekt erneut durchlaufen. Daraus wird dann wieder eine Lernkurve: motivierend, imitierend, adaptierend. Das vollzieht sich in Zyklen – und nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
- Die Regionale 2010 als Instrument war erfolgreich. Ist sie auch die Methode für die Zukunft?
Region KB: Wenn man Regionale 2010 dechiffriert, ist sie - genauso wie die Idee der Kulturhauptstädte oder die RheinCharta – ein Instrument zur anlassbezogenen Entwicklung in einem ständigen Transformationsprozess.
ein Instrument zur anlassbezogenen Entwicklung in einem ständigen Transformationsprozess.
Aus der Managementperspektive heraus fragen wir: Läuft der Prozess oder wird er gestaltet? Ist er passiv oder aktiv? Unsere Aufgabe ist es, anlassbezogene Entwicklungen für die Region zu promovieren. Diese Aufgabe gehen wir inhaltlich entlang verschiedener Themenlinien an und versuchen Projektvolumen für die Regionalentwicklung zu erzeugen. Das war bei der Regionale so, war vor der Regionale so und ist jetzt auch so.
- Gab es andere externe Anlässe, wie z.B. die aktuelle Wirtschaftskrise oder den neuen Gotthardtunnel ?
Region KB: Ja, es gibt natürlich auch externe Impulse. Der Gesamtzustand unserer Infrastruktur kommt sicher auf die Tagesordnung und natürlich ist der Gotthardtunnel von Bedeutung für unsere Nord-Süd -Infrastruktur und die Funktionsfähigkeit des Transits. Diese Themen haben Implikation weit in die Binnenorganisation der Region hinein. Es besteht auch die Frage, wie eigentlich ein Organisationsmuster dieser Region in 20 Jahren aussieht. Natürlich wären wir gerne zielsicherer in der Frage, welche heutigen Entscheidungen morgen neue Anlässe und Effekte generieren. Niemand kann in die Zukunft schauen. Es ist momentan vielleicht auch eine Zeit, die man nicht so richtig lesen kann. Die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts, die Energiepreise und ihr Bezug zur Mobilität zeigen an einem Megatrend, dass alles zusammen zu hängen scheint. Anstatt sich bei Entscheidungen von solchen Megatrends abhängig zu machen, ist es vielleicht besser zu überlegen, was man selber gut kann und dann selbstbewusst als Region zu sagen: „Wir machen das jetzt so, wie wir das für richtig halten. Den Rest kann ich nicht beeinflussen.“
- Wie sind die Zusammenarbeit und das Management vor dem Hintergrund sich überlagernder Grenzen von Verbänden, Vereinen und Administrationen geregelt?
Region KB: Sie sind nicht geregelt sondern werden gemanagt. Management bedeutet das Organisieren von Dynamik. Jede Form von Dynamik, die wir hier im Augenblick haben, ist schwierig zu korrelieren mit Regeln. Unsere Mitglieder agieren teilweise horizontal und teils vertikal, von ihnen haben wir die Rolle des Dynamikmanagements erhalten – dies ist unser Alleinstellungsmerkmal. Die vertikalen Administrationen sind im Staatsgefüge vor allem dafür zuständig, zu verwalten (und wenn nötig mit Regeln) restriktiv direktiv zu steuern: geht/geht nicht, Gebot/Verbot. Aber die Maßstabsebene, auf der letzten Endes Entwicklung organisiert wird, ist nicht mehr durch diese Einheiten alleine abgebildet.
- Funktioniert Köln/Bonn als ein ‘daily urban system’ für die Menschen oder müsste man die Region nicht direkt mit Düsseldorf und der Metropole Ruhr zusammen betrachten?
Region KB: Wir sind kein starres System, sondern sehr fluide. Man kann sagen, dass das System dadurch anfällig und verletzbar ist. Wir haben mittlerweile gute Erfahrung mit dem Perimeter: Köln und Bonn sind in unserer Wahrnehmung zwei Sendemasten, die eine Pumpbewegung in der Region erzeugen. 80 bis 90 Prozent des Alltages eines jeden Menschen, der hier im 30/40-km-Umfeld wohnt spielen sich in diesem System ab.
Wir sind kein starres System, sondern sehr fluide.
Aus einer markrosystemischen Betrachtung gibt es klar die Rheinschiene und nördlich die Ruhrschiene. Auch bei der Frage der Zentrenfunktionseinheiten haben wir eine ziemlich deutliche Dynamik rund um Köln/Bonn, insbesondere was den Arbeitsmarkt betrifft. Düsseldorf funktioniert vom Grundgefühl eher anders und ist relativ divers, weil es eben die Landesdiktion hat.
In der Region Köln/Bohn beschränken sich die innerregionalen Bewegungen (Wohnen, Arbeiten, Sich Erholen, Kultur, Bildung, Freizeit, Mobilität) auf 45 Autominuten rund um Köln - einem dispersen Gefüge mit über 3,5 Millionen Einwohnern. Das ist eine ambitionierte Koordinierungsaufgabe, da wir ja auch noch reale Projekte begleiten.
- Gibt es bei Ihnen Konflikte zwischen Kern und Peripherie oder, wie im Ruhrgebiet, zwischen schwachem Norden und starkem Süden? Verstehen wir richtig, dass Sie gar nicht die formale Planungsaufgabe anstreben, die z.B. der Regionalverband Ruhr erworben hat?
Region KB: Planungshoheit ist keine Voraussetzung um auf höchstem Niveau zu gestalten. Bei den relevanten Projekten sind wir beteiligt und formulieren die nötigen Schritte horizontal und vertikal mit. Daneben machen wir schon indirekt formale Planung indem wir regionale Strategien effizient zurück in die formale Planung spielen. So ist die Rheincharta offizieller Fachbeitrag des Regionalplans ebenso wie unser Masterplan Grün.
Dies gilt auch für teilräumig ausdifferenzierte Strategien. Mit dem Thema Innenentwicklung gehen wir im Oberbergischen Kreis anders um als in der Kölner Stadtmitte. Wir dechiffrieren also das Thema Innenentwicklung auf einen regionalen Maßstab. Es ist eine Übersetzungsaufgabe, die natürlich auch mit dem Thema Freiraum und landschaftlicher Entwicklung zusammen gesehen wird. All diese Projekte sind ein Beitrag zu einer regionalen Gesamtthematik und einer Strategie. [...]
Conducted by Helmut Thoele and
Matthias Rottmann
30. April Köln
Full version of the interview can be downloaded below (PDF)
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